Riesige Aschewolken, eine ständige Rauchsäule über dem Cumbre Vieja und die dauerhafte Unsicherheit, wie sich der Vulkan wohl als nächstes verhält: Das ist für die Einwohner auf La Palma längst Normalität geworden. Regelmäßig wird der Flughafen gesperrt und die Anwohner werden aufgefordert, in ihren Häuser bleiben und draußen Masken zu tragen – aus Angst vor den gesundheitlichen Folgen. Doch wie steht es tatsächlich um die Luftqualität? Wie gefährdet sind die Menschen vor den giftigen – aber unsichtbaren – Stoffen in der Luft?
Um genaue Erkenntnisse zu gewinnen, unterstützt die Palas GmbH aus Karlsruhe nun die spanischen Behörden auf der Kanareninsel La Palma dabei, die Luftqualität an verschiedenen Messpunkten zu überwachen. Dafür hat der Experte für Aerosoltechnologie kurzfristig und unkompliziert neun seiner neuesten Geräte auf La Palma bereitgestellt. Um bestmöglich an auf die unsicheren Gegebenheiten vorbereitet zu sein, wurden diese im Vorfeld analysiert und letzte, individuelle Anpassungen an der Technik vorgenommen. Das Besondere: Die Messdaten werden im Minutentakt aktualisiert und können von überall auf der neuen Datenplattform MyAtmosphere abgerufen und visualisiert werden.
Das ist MyAtmosphere
MyAtmosphere wurde von Palas entwickelt und ist – kurz gesagt – das modernste Umweltmesssystem für Smart Cities und große Areale. Auf der Datenplattform können die Palas-Messgeräte zu einem Messnetz zusammengeschlossen werden und die gesammelten Daten sind auf einen Blick verfügbar. Unabhängig davon, in welchem Gebiet die Luftqualität gemessen und beobachtet werden soll: Über die Datenplattform sehen die Anwender aktuelle und präzise Messergebnisse, die in Echtzeit aufbereitet und visualisiert werden. Damit lassen sich einfach, schnell und ohne jeden Aufwand die notwendigen Maßnahmen ableiten. Und genau das benötigen die Behörden auf La Palma.
Projektteam war vier Tage vor Ort
Am 15. November machten sich vier Palas-Mitarbeiter, darunter auch CEO Dr. Maximilian Weiß, auf den Weg nach La Palma. Wie der Kontakt mit den Behörden auf La Palma zustande kam, erklärt der Geschäftsführer: „Wir sind in ganz Europa bekannt für unsere Feinstaubmessgeräte – sowohl in öffentlichen Messnetzen als auch bei wissenschaftlichen Anwendungen. Und so kam es, dass wir letztlich über einen Kontakt – von Island über Barcelona nach La Palma – gefragt wurden, ob wir Messgeräte auch auf La Palma installieren können, um dort die Luftqualität zu überwachen.“
Palas hat zwar bereits Geräte auf der ganzen Welt installiert – unter anderem bereits auf der Kanareninsel - doch der Einsatz in der Nähe eines aktiven Vulkans ist selbst für den Geschäftsführer außergewöhnlich. „Wir messen mit unseren Geräten an unterschiedlichen Orten mit vielen unterschiedlichen Gegebenheiten wie z. B. auf der Zugspitze, auf dem Jungfraujoch, in Wüsten, im Himalaya sowie auch an Baustellen oder in Industriegebieten mit extremer Staubbelastung. Doch wir wussten nicht, wie extrem die Bedingungen vor Ort auf La Palma tatsächlich sein werden, wie gefährlich es ist, was uns dort genau erwartet. So etwas haben wir selbst auch noch nicht erlebt.“
Vor Ort – erste Eindrücke
Auf La Palma angekommen, macht die Insel erst einmal einen sehr friedlichen Eindruck. Der Flughafen ist auf der – sicheren - Ostseite der Insel, der Vulkan ist nicht zu sehen, auch keine Aschewolke. Alles wirkt normal. Mietwagen abholen, und los geht’s zu den Geräten. Diese wurden bereits vorab auf die Insel geschickt und müssen erst einmal ausgepackt und geprüft werden. Dann ging es schon los zur ersten Messstation. Wo die Geräte angebracht werden sollten, wurde in einer Online-Konferenz vorab besprochen. In zwei Tagen reisen die Palas-Mitarbeiter an neun Stationen, klettern auf Hausdächer und Garagen, installieren ein Gerät in einer Schule und eines in einen mobilen Messbus ganz in der Nähe des Vulkans. Unterstützt wurden sie von lokalen Mitarbeitern, die – wie alle Einwohner, mit denen sie vor Ort sprachen – über das Projekt und die gewonnenen Daten sehr dankbar waren.
Der erste freie Blick auf den Vulkan war ernüchternd. Nichts als schwarzer Rauch auf einem hohen Berg. „Ein bisschen spektakulärer hätten wir uns das schon vorgestellt“, erklärt Ann-Kathrin Goßmann, Projektleiterin bei Palas. Doch am Abend verändert der Vulkan sein Gesicht: spuckende rote Lava ist zu sehen und der gesamte Berg ist von einem roten Schimmer umgeben. Die Geräusche, die der Vulkan von sich gibt, erinnern an eine Meeresbrandung. Die Gefahr für die Gesundheit wird plötzlich real und man kann sich vorstellen, dass hier einiges in der Luft liegt. In der zweiten Nacht werden die Palas-Mitarbeiter von einem Erdbeben geweckt.
Die Menschen vor Ort – Normalität
Was für Maximilian Weiß und seine Mitarbeiter neu und aufregend ist, ist für die Menschen vor Ort längst Normalität. Regelmäßig und mehrmals in der Woche müssen Straßen und Gehsteige von der herabfallenden Asche befreit werden. Die Menschen tragen mal mehr mal weniger konsequent ihre Maske. Ob wegen Corona oder wegen der Asche in der Luft. Man weiß es nicht genau. Auch an der Schule geht alles wieder seinen Gang – obwohl die Kinder, wenn sie aus dem Fenster blicken, einen direkten Blick auf den aktiven Vulkan haben und ständig Asche vom Schuldach gekehrt wird.
Anschließen, anschalten, fertig
Um die neun Geräte anzuschließen benötigten das Palas Team keine 48 Stunden, obwohl sie dafür einmal um die ganze Insel fahren mussten, um ein Luftqualitäts-Messnetz aufzubauen. Im Schnitt dauerte die Installation am jeweiligen Aufstellort einschließlich Inbetriebnahme in der Cloud weniger als 2 Stunden. Die Messdaten werden auf die Datenplattform MyAtmosphere übertragen, auf der dann ein umfassendes Lagebild dargestellt wird. Die Behörden vor Ort sind so in der Lage, die Situation besser einzuschätzen und entsprechend zu reagieren. Dabei gibt es viele Einflussfaktoren auf die Luftqualität, wie etwa die Windrichtung. Daher muss das neue Messnetz die gesamte Insel und nicht nur die unmittelbare Umgebung des Cumbre Vieja umspannen
„Die Installation verlief reibungslos – Plug & Measure quasi: Anschließen, anschalten und mit wenigen Klicks waren die Geräte im Netzwerk der My-Atmosphere-Datenplattform sichtbar“, erklärt Ann-Kathrin Goßmann. „Das größte Problem vor Ort war es, auf die Dächer zu kommen, wo die Geräte angebracht wurden und ein kurzzeitiger Mangel an Verlängerungskabeln.“
Was erhoffen sich die Behörden nun von den Messdaten? Maximilian Weiß: „Es geht nicht darum, alle Bewohner zu evakuieren. Es geht darum, dass wir bzw. die Behörden vor Ort, durch die Messungen besser einschätzen können, wo die Luftbelastung so hoch ist, dass man sich dort nicht mehr aufhalten darf. Die Insel ist von der Topografie aus sehr komplex: Es gibt mit Sicherheit Orte, an denen die Luftqualität sehr gut ist, aber im westlichen Teil der Insel gibt es auch die extreme Belastung durch den Vulkan und dort besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Sperrzone ausgeweitet werden muss.“
Abreise und weitere Schritte
Nach drei Tagen stand für die vier Mitarbeiter die Rückreise an – doch der Flugverkehr war – wieder einmal – zum Erliegen gekommen. Zu viel Asche auf der Rollbahn, denn der Wind hatte in der Nacht gedreht. Also ab auf die Fähre nach Teneriffa und von dort in den Flieger nach Hause.
Nun überwacht Palas das Ganze von Karlsruhe aus und steht mit den Behörden weiterhin in Kontakt, um sie hinsichtlich der Messdaten weiter zu beraten.
Aber wie ist denn nun die Luftqualität auf der Insel? Dr. Weiß: „Tatsächlich sind die Messdaten nicht mehr so schlimm, wie sie zu Beginn des Ausbruchs waren. Doch gibt es immer wieder Spitzen, in denen die Belastung über den empfohlenen Grenzwert geht. Dann gilt es kurzzeitig zu reagieren, wie es die Behörden ja bereits machen mit zeitweisen Ausgangssperren. Das gilt es weiter zu beobachten und zu hoffen, dass der Vulkan seine Aktivität bald einstellt.“